Neue Wege auf der Suche nach Fachkräften

DIHK-Umfrage: 6/10 Unternehmen brauchen mehr Fachkräfte

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Sechs von zehn Unternehmen sehen eine Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung, weil Fachkräfte fehlen. So das Ergebnis einer DIHK-Umfrage zu Jahresbeginn. Bleiben dringend benötigte Stellen unbesetzt, wird es immer schwieriger, anstehende Aufträge abzuarbeiten. Um die Nachwuchs-Lücke zu füllen, gehen einige Unternehmen neue Wege.

Vor allem mittelständische Unternehmen können sich ihre Auszubildenden oft nicht mehr aussuchen. So kommt es, dass qualifizierte Nachwuchskräfte fehlen, während internes Wissen mit den älteren Kollegen in Rente geht. „Chefs kleiner oder mittelständischer Firmen sollten deshalb auch schwachen Hauptschülern oder Schulabgängern ohne Abschluss eine Chance geben“, findet Simone Stargardt. Die Geschäftsführerin der privaten Weiterbildungsakademie carriere & more in der Region Stuttgart, Mannheim und Würzburg weiß: „In der Praxis bringen diese jungen Menschen oft gute Leistungen.“

Stargardt gibt ein Beispiel aus ihrem geschäftlichen Umfeld: Ein Unternehmer, der gezielt Lernschwache einstellt, organisiert für seine Auszubildenden interne Schulungen. Der Nachwuchs vertieft den Berufsschul-Unterricht in kleinen Gruppen anhand von Praxisbeispielen ihres Arbeitgebers. „Dabei ziehen die Stärkeren die Schwächeren mit, so entsteht ein Gemeinschaftsgefühl“, betont die Bildungsexpertin. Die Lehrlinge dieses Betriebs legen meist eine überdurchschnittlich gute Abschlussprüfung ab. Es gibt sogar Fälle, in denen aus Azubis mit Lernschwäche inzwischen Führungskräfte geworden sind. Deshalb empfiehlt Stargardt Firmen, die über Fachkräftemängel klagen, umzudenken und sich aktiv um die Integration lernschwacher Jugendlicher zu bemühen.

Werbung auf neuen Wegen

„Bisher konnten wir unseren Bedarf an Nachwuchskräften immer decken“, sagt Günther Berninghaus, geschäftsführender Hauptgesellschafter der Papierwerk Landshut Mittler GmbH & Co. KG (PLM) und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Bayerischen Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie. Um potenziellen Bewerbern einen Einblick in die Ausbildungsberufe zu geben, gibt es auf der PLM-Homepage kurze Videos, in denen je zwei Auszubildende ihr Berufsfeld und ihren Arbeitgeber vorstellen. Zum einen beschreiben die jungen Frauen und Männer ihren Arbeitsalltag in der Firma, zum anderen erfahren Interessierte Details zur Berufsschule oder den Sozialleistungen des Unternehmens. Zusätzlich gibt es einen Verweis auf die Karriereseiten des Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V., wo weitere Informationen zur Verfügung stehen, wie etwa Zahlen und Fakten zur Branche allgemein.

Speziell bei zwei Berufen sei es mit dem Nachwuchs bei PLM nicht ganz so einfach, gibt Berninghaus zu: Beim Packmitteltechnologen – der Beruf ist relativ unbekannt – und beim Medientechnologen Druck. Bei letzterem schrecken viele Schulabgänger vor einer Bewerbung zurück, da die Druckbranche seit Jahren eine schwierige Phase durchläuft. „Das betrifft jedoch nicht die Verpackungsindustrie“, betont der Geschäftsführer. Dass es bislang noch keine Lücken in der Besetzung von Ausbildungsstellen gibt, führt Berninghaus neben dem Einsatz der Videos auf der Homepage auch auf „viel Werbung im Landkreis“ zurück: „Wir sind beispielsweise regelmäßig auf Berufsbildungsmessen vertreten.“

Auch Stargardts Kunden rekrutierten aktiv Nachwuchskräfte: „Gerade kleine und mittelständische Betriebe sollten Kontakt zu den Schulen vor Ort suchen“, empfiehlt die Betriebswirtin. Da gerade lernschwachen Schülern oft die Power fehle, sich überhaupt um eine Ausbildungsstelle zu bemühen, machen für diese Zielgruppe besondere Unterstützungs-Maßnahmen Sinn. Etwa intensiv auf Hauptschulen zuzugehen und dort in einer Schulstunde über ein bestimmtes Berufsbild, wie etwa Fachkraft für Lagerlogistik, zu referieren. Firmeninhaber sollten sich dabei von einem ersten Nein einer Bildungseinrichtung nicht abschrecken lassen. „Während es einigen Lehranstalten zu werblich ist, sind andere sehr offen für solche Maßnahmen“, so die Expertin. Auch Berufsschulen mit Förderklassen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz sind eine gute Plattform für Unternehmer, die dringend Nachwuchskräfte benötigen.

Auf die Integration achten

Wenn Chefs lernschwache Jugendliche einstellen, brauchen sie Geduld bei der Integration der jungen Leute. „Es darf nicht passieren, dass Lernschwache in eine Außenseiterposition gedrängt oder von Kollegen gemobbt werden“, warnt Stargardt. Hilfreich bei der Integration in den Arbeitsalltag sind Mentoren oder Paten. „Das kann ein älterer Kollege sein, der erster Ansprechpartner für den Neuen ist und ihm Orientierung und Sicherheit gibt.“ Außerdem sollten sowohl Ausbilder, als auch Auszubildende die Probezeit intensiv nutzen und prüfen, ob die jeweiligen Erwartungen zueinander passen. Zusätzlich können individuelle Bildungsangebote helfen: Von Lerntechniken bis hin zum Knigge-Kurs, gibt es verschiedene Seminare für Auszubildende, die über die Berufsschul-Inhalte hinausgehen und je nach akutem Bedarf eingesetzt werden können.
Einen anderen Integrations-Weg geht die Schumacher Packaging Gruppe, ein Experte für maßgeschneiderte

Verpackungslösungen aus Well- und Vollpappe mit Stammsitz im bayrischen Ebersdorf bei Coburg. „Vor zwei Jahren hat die IHK Coburg das Projekt Ausbildung von Flüchtlingen ins Leben gerufen, an dem wir uns seitdem beteiligen“, berichtet Andreas Guhl, Leiter Personalwesen. Während im Herbst 2016 bereits zwei junge, geflüchtete Männer ihre Ausbildung bei Schumacher Packaging begonnen haben, kamen vergangenen September zwei weitere Auszubildende hinzu, die eine Lehre zum Industriemechaniker absolvieren. Zwei weitere sollen dieses Jahr folgen. Die Ausbildung umfasst neben der Arbeit im Betrieb und dem Besuch der Berufsschule auch fundierten Deutsch- und Mathematikunterricht und dauert 48, statt der üblichen 36 Monate. Zudem bekommt jeder auszubildende Flüchtling neben einem qualifizierten Ausbilder auch einen Azubi-Kollegen aus dem höheren Ausbildungsjahrgang als „Paten“ an seine Seite.

„Ohne die Hilfe der IHK Coburg wäre die Ausbildung Geflüchteter allerdings schwierig“, gibt Guhl zu. Mit Unterstützung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums hat die IHK Coburg ein Pilotmodell entwickelt. Innerhalb dieses Programmes luden etwa IHK-Vertreter 80 Flüchtlinge im Alter von 17 bis 40 Jahren zu einem „Speed Dating“ ein. Mit Erfolg: Es waren etliche geeignete Kandidaten dabei, teils auch schon mit guten Deutschkenntnissen. So konnten direkt erste Ausbildungsverträge mit Firmen aus der Region geschlossen werden. Zusätzlich hat die IHK mit Merouane Qsiyer einen Ausbildungsakquisiteur und Koordinator für Flüchtlinge eingestellt. „Wegen meiner Herkunft sind mir Sprache, Kultur und Mentalität der meisten Flüchtlinge vertraut – ich kann mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und werde akzeptiert“, sagt der gebürtige Marokkaner.

Probleme mit der Anerkennung von Hierarchien gebe es im Betrieb von Schumacher Packaging kaum, so Guhl: „In der Regel sind die ausbildenden Meister älter als 50 Jahre und strahlen eine entsprechende Autorität aus.“ Sicher müsse der Ausbilder aufgrund der Sprachbarriere mehr erklären und es komme vor, dass Unterlagen nicht ganz so pünktlich abgegeben werden, wie gewünscht. „Im Großen und Ganzen bekomme ich positive Rückmeldungen aus dem Betrieb, die sich bestätigen, wenn ich die Menschen in der Werkshalle treffe“, betont der Oberfranke.

Im vergangenen Jahr hätte man sich jedoch von einem Auszubildenden aus dem Integrationsprogramm trennen müssen. Der junge Mann sei nach ein paar Wochen unentschuldigt nicht mehr zur Arbeit erschienen und antwortete nicht auf Nachfragen. Es wurde dann kurzerhand ein Ersatzkandidat eingestellt, ebenfalls ein Geflüchteter, der sich bis heute bewährt. Guhl geht davon aus, dass die jungen Männer ihre Ausbildung zum Industriemechaniker erfolgreich abschließen. Ist das der Fall, will Schumacher Packaging sie übernehmen. „Unser Maschinenpark wird immer komplexer, mit reinen Anlernkräften können wir den Bedarf bald nicht mehr decken. Umso besser, wenn wir nun zusätzlich qualifizierte Mitarbeiter ausbilden.“

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ÜBER DEN AUTOR

Leila Haidar

Leila Haidar

Leila Haidar ist freie Wirtschaftsjournalistin aus Stuttgart.


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